GESAMTSCHULE
Evelyn Schmid-Tarmann
Die Gesamtschule ist gedacht als weiterführende Schulform nach der Volksschule. Weil sie, im Gegensatz zu den anderen Schulformen, als Ganztagsschule angelegt ist, rückt diese alternative Schulform seit den Ergebnissen der letzten PISA-Studie wieder in den Blickpunkt der Bildungsdebatten. Die PISA-Studie hat ergeben, dass in Österreich die Herkunft der Kinder einen großen Einfluss auf deren Bildungsweg hat. Eine Chancen- gerechtigkeit für Kinder aus sozial und ökonomisch benachteiligten Familien gibt es nicht. Eine Lösung wäre die Einführung ganztägig geführter gemeinsamer Schulen, wobei in dieser Schulform Lern- und Freizeitphasen einander abwechseln.
In vielen EU-Staaten sind Ganztagsschulen die Regel, oft sind sie zugleich auch Gesamtschulen, die alle jungen Menschen unabhängig von ihrem Leistungspotential besuchen. Gegner der Gesamtschule befürchten eine Einheitsschule, in der begabte Kinder nicht gefördert und leistungsstärkere SchülerInnen durch die schlechteren auf ein tieferes Niveau herabgezogen werden. Befürworter erwarten sich durch das Miteinander- und Voneinanderlernen auch ein besseres Zusammenleben in der Gesellschaft und Förderung auch leistungsschwächerer Kinder durch die differenzierteren Lernangebote und Lernanregungen in einer Ganztagsschule.
Was versteht man unter Gesamtschule?
Eine Schule, in der gemeinsames Arbeiten in Gruppen, Projektunterricht, Fremdsprachen, Lesen, Übungseinheiten einander mit langen Pausen, Bewegung, Spielen und Mittagessen abwechseln: Das wäre die ideale Form einer ganztägigen Gesamtschule. In dieser so genannten "verschränkten Form", wo sich Lern- und Freizeitphasen abwechseln, werden Kinder optimal gefördert. Verschränkte ganztägige Schulen haben keinen Frontalunterricht, keine Fünfzig-Minuten-Einheit, keine Schulglocke, ausreichende Übungsphasen festigen den Lernstoff , es gibt keine Hausübungen und der Nachhilfe unterricht erübrigt sich.
Ein neues Raumkonzept ist erforderlich
Die ganztägige Schule in verschränkter Form braucht ein neues Raumkonzept. Ganztagsschule kann nicht darauf hinauslaufen, dass 30 Kinder in den selben Klassen, in denen sie am Vormittag Unterricht haben, aufbewahrt werden, bis die Eltern aus der Arbeit kommen. Ganztägige Schulen müssen ein Lebensraum mit hoher Lebensqualität sein. Kinder und Lehrerinnen sollen sich gerne dort aufhalten. Es geht um Lernen, Freude, Lust, Spaß, Bewegung, Selbstbestimmung.
In alten vollbesetzten Schulen kann das nur umgesetzt werden, wenn mehr Raum geschaffen wird (z.B. Dachbodenausbau) oder die Tatsache genutzt wird, dass jetzt schwache Jahrgänge mit der Schule beginnen. Dadurch könnten nicht genutzte Jahrgangsklassen eine neue Funktion bekommen. Dass Kinder den ganzen Tag im Klassenzimmer verbringen und dieses nur zu Mittag in Zweierreihen verlassen wird, um essen zu gehen, ist entschieden abzulehnen.
Bedauerlicherweise wird in Klagenfurt und wohl in den meisten anderen österreichischen Städten das Sinken der SchülerInnenzahlen nicht als Chance für Verbesserungen genutzt, sondern es werden bestehende Klassen bis auf das gesetzlich erlaubte Maximum von 30 SchülerInnen aufgefüllt. Anderswo werden Klassen geschlossen, in weiterer Folge werden Schulen zusammengelegt oder Standorte aufgelassen.
Das Aufgeben von Standorten minimiert die Chance auf ganztägig geführte Schulen. Die alten Raumkonzepte von Halbtagsschulen sind dafür nicht geeignet.
UMSETZUNG UND VORAUSSETZUNGEN
Im Volksschulbereich sollte es wenigstens eine Versuchsschule geben, in der folgendes Konzept umgesetzt werden kann:
o Neuorientierung in der Bildungspolitik: Totsparen kann keine Wunder bewirken und
mindert die Ergebnisse im EU-Vergleich (PISATEST)
o Schaffung von Lebensraum für Lebensqualität und Selbstbestimmung
o Ziel soll sein, dass alle Kinder und auch die LehrerInnen gerne in die Schule gehen.
"Lernen darf Spaß machen"
o Die Schulen sollen ganztägig verschränkt geführt sein
o Neben Klassenräumen, Werkräumen, Bibliothek und Turnsaal soll es multifunktionelle
Räume geben
o das Mittagessen soll zu 40 % aus biologischem Landbau stammen und kann auch
auswärts eingenommen werden
o Klassen mit 18 -20 Kindern
o Integrationsklassen mit maximal 15 Kindern und ausreichend StützlehrerInnen
o Individualisierung des Unterrichtes, um sicher zu gehen, dass jedes Kind dort
abgeholt wird, wo es steht.
o ausreichend Übungsphasen statt Hausübungen, individuelle Lernhilfe
o Die Neugier und Kreativität der Kinder soll aufgegriffen und unterstützt werden
o Musik und Theaterspielen sollen angeboten werden
o Die Natur soll eine besondere Rolle spielen
o Die Struktur der Schule soll demokratisch sein, Mitbestimmung der Schulpartner
o In diesen Schulen soll man lernen lernen.
o Die Schule soll zum Denken und Experimentieren verführen
Evelyn Schmid-Tarmann
Kultur-& Bildungssprecherin
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